Bronchopulmonale Dysplasie

Die Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) ist eine der am häufigsten auftretenden Komplikationen der Früh- und Neugeborenenintensivmedizin. Darunter wird eine chronische Lungenerkrankung unterschiedlichen Schweregrades verstanden. Sie entwickelt sich ganz überwiegend bei Frühgeborenen, die meist wegen eines sogenannten Atemnotsyndroms über längere Zeit künstlich beatmet werden mußten und dabei gleichzeitig eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigten. In der überwiegenden Zahl der Fälle bestehen die Symptome einer BPD nur vorübergehend. Einige Säuglinge mit BPD behalten ihre Atemwegserkrankung jedoch für mehrere Monate oder gar Jahre.

Wie definiert man BPD?
Die derzeit üblicherweise angewandten Definitionen für das Vorliegen einer BPD sind:
Notwendigkeit zur positiven Druckbeatmung in der ersten Lebenswoche sowie sichere Zeichen einer Atemwegserkrankung, Sauerstoffabhängigkeit und röntgenologische Zeichen chronischer Lungenveränderungen am 28. Lebenstag oder Sauerstoffbedarf nach Erreichen der rechnerisch ermittelten 36 Schwangerschaftswoche.

Was sind Ursachen für die Entstehung einer BPD?
Letztlich ist die Bronchopulmonale Dysplasie als ein gleichförmiges Reaktionsmuster einer unreifen Lunge auf ganz unterschiedliche schädigende Einflüsse anzusehen. Die Reaktion der unreifen Lunge ist von dem ihr gegebenen Abwehrmechanismus und den damit verbundenen Reparationsvorgängen gekennzeichnet. Zu den wichtigsten Faktoren, die nach heutigen Gesichtspunkten in der Entwicklung der Erkrankung BPD direkt oder indirekt eine Rolle spielen, gehören:


Künstliche Beatmung und einer daraus resultierenden Druckverletzung am Lungengewebe.

Zufuhr von Sauerstoff in einer Konzentration von über 60 % in der Atemluft, da Sauerstoffmoleküle durch chemische Reaktionen auch schädigende Wirkung an Lungengewebszellen entwickeln können mit der Folge möglicher Entzündungsreaktionen und -veränderungen.

Infektionen an der Lungenoberfläche, insbesondere Lungenentzündungen.

Übermäßige Ansammlung von Flüssigkeit im Lungengewebe, sogenanntes Lungenödem.
Unter den aufgelisteten Faktoren kommt wahrscheinlich der positiven Druckbeatmung die größte Bedeutung zu.


Wie entwickelt sich eine BPD?
Als frühe Veränderungen kommt es zum Auftreten von überblähten Lungenbezirken, die von unzureichend luftgefüllten Lungenbezirken (Atelektasen) umgeben sind. Daraus entstehen Schädigungen der Lungenoberfläche, insbesondere im Bereich der Bronchien und Bronchiolen. Ausgeprägte Schleimproduktion und eine verstärkte Ausbildung der die Bronchien umgebenden glatten Muskulatur sind die Folge. Späte Veränderungen bestehen neben Aussackungen der Lungenoberflächen (Zysten) und mangelhaft belüfteten Lungenbezirken in einem Umbau des bindegewebigen Lungengerüstes (interstitielle Fibrose), einer verstärkten Einlagerung von Gewebsflüssigkeit in das Lungengewebe (interstitielles Ödem), Erweiterungen der Lymphgefäße im Lungenorgan und eine Verdickung der Muskelanteile der Blutgefäße der Lunge.


Welche Beschwerden treten auf?
Durch die Verringerung der zum Gasaustausch zur Verfügung stehenden Lungenoberfläche, durch deutliche Vergrößerung des Weges, den die Atemgase zwischen Atemluft und Blutkreislauf zurückzulegen haben sowie einer größeren Steifigkeit der Lungen kommt es zu einer verstärkten Atemtätigkeit. Die Frequenz der Atemzüge ist erhöht und die Atemzüge selber sind vertieft. Letzteres läßt sich in schwereren Fällen auch an Einziehungen im Bereich des Brustkorbes bei der Einatmung sowie am sogenannten Nasenflügeln erkennen. Es kommt dann auch immer zum Auftreten einer erhöhten Herzfrequenz. Unter Raumluft, also ohne zusätzliche Sauerstoffzufuhr, nehmen diese Symptome zu, oft tritt sogar eine Zyanose auf. Ähnlich dem Asthma wirkt der gesamte Brustkorb überbläht und faßartig vergrößert, die Ausatmungszeit ist verlängert und verschiedenartige pfeifende und brummende Atemgeräusche sind bei der Ausatmung hörbar. Da das Herz in dieser Situation verstärkt Arbeit gegen einen erhöhten Widerstand im Lungenkreislauf leisten muß, kann es auch zu einer Überlastung des Pumpvermögens der rechten Herzkammer kommen und in Folge dessen zu einer Vergrößerung der Leber sowie gestauten Halsvenen. Die gestörte Sauerstoffaufnahmefähigkeit der Lungen selber und die vermehrte Arbeit des Herzens führt insgesamt zu einer verminderten Belastbarkeit der Kinder. Ebenso ergibt sich in dieser Situation durch einen deutlich erhöhten Kalorienverbrauch eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Gedeihstörung.


Wie wird die Diagnose BPD gestellt?
Aus der bisherigen Krankheitsgeschichte ableitbare Hinweise sind das Vorliegen einer Frühgeburtlichkeit (weniger als 2000 g Geburtsgewicht bzw. eine Schwangerschaftsdauer von weniger als 34 Wochen) und typische Erkrankungen des Frühgeborenen (meist ein Atemnotsyndrom, aber auch längere Atempausen des Frühgeborenen, ein verspäteter Verschluß des Verbindungsgefäßes zwischen Lungen- und Körperkreislauf - Ductus arteriosus botalli apertus -, Lungenentzündungen, die Beatmung mit Sauerstoffzusatz ohne die Möglichkeit der raschen Entwöhnung von dieser künstlichen Atemhilfe und eine anhaltende Sauerstoffabhängigkeit nach 28 Lebenstagen bzw. nach Erreichen der 36. Woche nach Befruchtung). Typische Befunde sind bei der Untersuchung der Blutgase zu gewinnen, ohne zusätzliche Sauerstoffzufuhr findet sich eine verringerte Sauerstoffkonzentration im Blut und zudem besteht häufig eine chronische Erhöhung der Kohlendioxidwerte im Blut. An technischen Untersuchungen sind erforderlich: Einerseits Röntgenaufnahmen der Lungen, in diesen finden sich typische Veränderungen im Sinne von diffusen Eintrübungen und verminderter Belüftung, oder Bezirke unterschiedlich stark ausgeprägter Überblähung. Die Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) und das Ableiten der Herzstromkurve (EKG) lassen andererseits Rückschlüsse über das Ausmaß der erhöhten Belastung der rechten Herzseite zu. Da das rechte Herz das Blut gegen einen höheren Widerstand in die Lunge pumpen muß, erhöht sich auch die Größe der rechten Herzkammer, welche dabei ihre Form ändert. Dadurch bedingt verstärken sich auch die elektrischen Aktivitäten über der rechten Herzseite und werden im EKG sichtbar gemacht. Mittels Lungenfunktionsuntersuchungen finden sich die Zeichen einer chronischen verengenden Lungenerkrankung, in den kleinen Atemwegen herrscht ein erhöhter Atemwegswiderstand und der vermehrte Luftgehalt in den Lungen und die herabgesetzte Elastizität und Beweglichkeit der Lungen wird meßbar.


Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?
Ein Schwerpunkt liegt auf der Seite der vorbeugenden Maßnahmen, gemeint ist hier ein Vermeiden einer Frühgeburt, bzw. eines Atemnotsyndroms als wesentliche Ursachen für eine BPD. Bei vorliegender Frühgeburtlichkeit gilt es die Entwicklung einer BPD zu vermeiden. Dies wird durch bestimmte Beatmungsverfahren erreicht. Sollte sich aller vorbeugenden Maßnahmen zum Trotz eine Bronchopulmonale Dysplasie eingestellt haben, ergeben sich als wesentliche Behandlungsziele die Vermeidung weiterer Lungenschädigung, eine Besserung der Lungenfunktion, Vermeidung eines Lungenhochdruckes mit Belastung des rechten Herzens und die Förderung von Wachstum und allgemeiner Entwicklung. Das zentrale Anliegen dabei ist die Entwöhnung von der Beatmung und/oder Sauerstoffzufuhr unter Gewährleistung ausreichender Blutgaswerte, insbesondere die Sauerstoffsättigung betreffend. Zusätzlich kommen bestimmte Medikamente zum Einsatz, die zu einer Herzentlastung führen und u.U. auch der Einsatz von Steroiden (Kortison), eine intensive Inhalationsbehandlung ähnlich der bei Asthma sowie eine hochkalorische Ernährung. In allen Phasen der Erkrankung ist der einer Einsatz einer gezielten Physiotherapie sehr wertvoll.


Wie entwickelt sich eine BPD im weiteren Leben?
Die chronischen Veränderungen können durchaus völlig ausheilen, das ist allerdings eine Frage der Zeit und erfordert viel Geduld während einer intensiven Langzeittherapie. Der Werdegang eines an BPD erkrankten Kindes ist abhängig vom Ausmaß der Lungenschädigung. In schwerwiegenden Fällen ist eine langdauernde Beatmung und/oder Sauerstoffzufuhr über Wochen und Monate erforderlich. Dies kann auch in Heimtherapie erfolgen, welche dann die Beatmungsmöglichkeit zu Hause beinhalten muß. In diesen Situationen ist eine langsame Besserung der Lungensituation und eine Entwöhnung vom Beatmungsgerät, bzw. vom Sauerstoff in kleinen Schritten in unterschiedlich langen Zeitabständen zu erwarten. Insgesamt besteht die Gefahr von immer wiederkehrenden Entzündungen an den Atmungsorganen, Lungenentzündungen oder Bronchitiden, beides insbesondere im 1. Lebensjahr, allerdings wesentlich häufiger bei stationären Aufenthalten als während Heimtherapie. Trotz hoher Kalorienzufuhr kann sich das Gedeihen des Kindes auch weiterhin schwierig gestalten. Nur bei Besserung der Lungenfunktion wird parallel dazu auch ein Aufholwachstum möglich. Schreiten die Lungenveränderungen und in ihrer Folge die Herzbelastung fort, so kann im Säuglings- oder Kleinkindesalter die Erkrankung auch tödlich verlaufen. Ein zunehmendes Herzversagen ist dann die dafür verantwortliche Ursache.
Wie können Komplikationen vermieden und die Aussichten für den Krankheitsverlauf verbessert werden?
Am bedeutsamsten ist die Vermeidung von Atemwegsinfektionen. Möglichst sollte kein Kontakt zu erkrankten Personen bestehen. Situationen mit besonderer Ansteckungsgefahr (volle Wartezimmer, große Menschenansammlungen, große Spiel- oder Kindergartengruppen) sollten gemieden werden. Der nächste wichtige Punkt ist das Vermeiden von Tabakrauch. In Gegenwart und auch in Räumen, in denen sich das Kind aufhält, sollte nicht geraucht werden. Tabakrauch verstärkt die aus anderer Ursache bestehende Entzündungsreaktion. Rauchen und offenes Feuer ist wegen Explosionsgefahr bei stattfindender Sauerstofftherapie strengstens verboten. Eine wertvolle Form der Vorbeugung stellt das aktive Impfen dar. Neben allen anderen üblichen Impfungen besitzt die Keuchhustenimpfung hier eine besonders wichtige Rolle. Nach dem 6. Lebensmonat ist die jährliche Grippeschutzimpfung ratsam. Neuerdings ist eine passive Impfung gegen das sogenannte RS-Virus verfügbar. Dieses Virus ist in der Zeit von Oktober bis April hauptsächlich für kompliziert verlaufende Atemwegsinfektionen bei Säuglingen verantwortlich. Die spezielle Impfung muß derzeit allerdings noch in monatlichen Abständen erfolgen.

Quelle: Deutsche Lungenstiftung e.V.


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